Samstagmorgen, ich habe gefrühstückt und packe meine Sachen zusammen. Seit wir komplette Werkzeugsätze haben, nehme ich erheblich weniger mit. Etwas Isolierband, Kabelbinder und Lüsterklemmen kommen in ein Behältnis. Eine Videokassette, eine Tonbandkassette, eine CD und eine DVD nehme ich mit. Einige Kunden kommen mit ihrem Gerät, vergessen aber einen Tonträger einzupacken.Alles passt gut in meinen Rucksack. Früher habe ich mir noch eine Scheibe Brot eingepackt, aber seit einiger Zeit gibt es belegte Brötchen für das Team des Repair Cafes. Es ist 11 Uhr und ich schaue nach dem Wetter. Bei Regen nehme ich das Auto um in die Bürger zu fahren. Heute scheint die Sonne, ich kann mitdem Fahrrad fahren. Der Weg ist nicht weit bis in die Bürger 212. Nach 15 Minuten Fahrt durch Lehe schließe ich mein Rad vor der Gallerie an. In der Werkstat ist schon geschäftiges Treiben. Die Arbeitsplätze werden aufgebaut und mit Strom und Werkzeug bestückt. Erst mal mache ich eine Begrüßungsrunde. Kleine Unterhaltungen und dann einen Arbeitsplatz ausgesucht. Ich helfe noch bei den restlichen Vorbereitungen und richte mich auf meinem Arbeitsplatz ein. Es ist kurz vor 12 Uhr und die ersten Kunden stehen schon vor der Tür. Jens vom Empfang nimmt die erste Reparatur an, ein CD-Player. Die Reparatur wird auf der Liste, die an der Tür befestigt ist, eingetragen. Der Kunde erhält einen Laufzettel und wird gleich zu mir weiter geleitet. Ich begrüße ihn nett und frage nach dem Fehler des Gerätes. „Das geht gar nicht ein zu schalten“, sagt der Kunde. „Das ist gut“, sage ich. Der Kunde schaut erstaunt. Ich erkläre, dass meist Lesefehler bei CD-Playern auftreten und das kann oft nicht repariert werden. Ab und zu hilft das Reinigen des Lasers, aber meist nicht. Aber im vorliegenden Fall könnte ja eine Sicherung defekt sein. Ich schließe das Gerät aber erst probeweise an. Zu oft kommen Kunden mit einem Gerät und bei uns ist der Fehler nicht mehr vorhanden. Aber das Gerät lässt sich wirklich nicht einschalten, das Display bleibt dunkel. Ich zieh den Stecker wieder aus der Steckdose. „Da sollten wir den DVD-Player einmal öffnen“, sage ich. Ich zeige dem Kunden welche Schrauben dazu gelöst werden müssen und gebe ihm einen passenden Schraubendreher in die Hand. „Ich selber?“, fragt er überrascht. „Wir sind hier in einem Repair Cafe und der Grundsatz ist Hilfe zur Selbsthilfe“, erkläre ich freundlich. „Sie reparieren hier selber und ich zeige ihnen wie das geht!“, ergänze ich. „Tolle Sache“ erwidert er lächelnd und fängt an die Schrauben zu lösen. Gemeinsam öffnen wir das Gerät. Ich erkläre dem Kunden das Innenleben des CD-Players. Er ist sehr interessiert und fragt dies und das. Die kleine Glassicherung erkennt er selber. Ich messe die Sicherung auf Durchgang, aber sie ist heile. Gemeinsam schauen wir uns alle Bauteile auf den Platinen an. Ein Kondensator im Netzteil ist auf gequollen das ist nicht normal. Der Kondensator ist defekt, das lässt sich schon durch die Sichtkontrolle feststellen. Wieder bekommt der Kunde den Schraubendreher. Die Platine muss ausgebaut werden, um das Bauteil auslöten zu können. Ersatzteile haben wir eigentlich nicht vorrätig, aber ein passender Kondensator findet sich in unserem kleinen Vorrat. Der Kondensator ist schnell eingelötet und das Gerät wird wieder zusammen montiert. Stecker in die Steckdose und der CD-Player funktioniert wieder. Der Kunde ist begeistert und will uns weiter empfehlen. Wir verabschieden uns und ich sehe noch wie er etwas in unsere Spendendose steckt. Ein Erfolgserlebnis auch für mich. Sicher war das schon eine aufwendigere Reparatur für unser Repair Cafe. Der zeitliche Rahmen in einem Repair Cafe lässt sehr langwierige Reparaturen nicht unbedingt zu. Zwischenzeitlich sind viele neue Kunden eingetroffen. Alle Reparateure haben Kunden und im Wartebereich sitzt alles voll. Ich gehe zum Empfang und schaue auf die Liste der zu reparierenden Geräte. Noch ein CD-Player! Eine junge Frau erklärt mir, dass der Player das Abspielen selbständig unterbricht. „Das kann an einer verdreckten Laserlinse liegen“, erkläre ich und reiche ihr den Schraubendreher. Wieder ein erstauntes Gesicht, aber die junge Frau hat schnell alle Schrauben gelöst. Ich zeige ihr die Laserlinse in dem Gerät. Mit etwas Feuerzeug-Benzin auf einen Q-tipp geträufelt wird die Linse gereinigt. Nachdem das Gehäuse wider montiert ist, führen wir einen Probelauf durch.
Die CD wird ordnungsgemäß gelesen und abgespielt. Das hätte ich selber nicht erwartet, meist klappt das nicht so einfach. „Das ist ja toll“, kommentiert die Kundin und führt fast einen Freudentanz auf. Glücklich zieht Sie mit ihrem CD-Player von dannen und vergisst nicht zu spenden. Es ist schon fast 14 Uhr geworden. Ich mache eine Pause und esse zwei belegte Brötchen und trinke einen Kaffee. Dann stürze ich mich wieder ins Getümmel. An allen Tischen wird repariert und in dem Wartebereich finden angeregt Gespräche bei Kaffee und Kuchen statt. Da ist richtig Leben in der Bude! Bei mir findet sich ein Herr mit einem kleinen Kofferradio zur Reparatur ein. „Die Lautstärke schwankt immer und lässt sich nicht richtig einstellen“, erklärt der Kunde. Das Gerät wird mit einem externen Netzteil betrieben. Ich stelle fest, dass die Netzteilbuchse einen Wackelkontakt hat und dass der Lautstärkeregler auch nicht richtig funktioniert. Der Kunde erhält wieder den Schraubendreher und öffnet das Gerät. Um an die Stromversorgungsbuchse zu gelangen, muss die Platine ausgebaut werden. Von unten verlöte ich die Anschlüsse der Buchse neu. Durch das ewige ein und ausziehen des Steckers haben sich die Lötstellen auf der Platine gelöst. Dann sprühen wir noch Kontaktspray auf die Gleitbahn des Lautstärkereglers und der Kunde kann das Gerät wieder zusammen bauen. Ein Probelauf zeigt, alles funktioniert wieder. Der Kunde zieht glücklich von dannen. Heute läuft alles sehr gut. Nicht immer kann alles repariert werden. Nicht immer findet man den Fehler. Aber meistens sind die Kunden trotzdem zufrieden. Ein Fachmann hat das Gerät begutachtet und gemeinsam ist man zu dem Schluss gekommen, das Gerät ist mit einfachen Mitteln nicht zu reparieren. Gerade dieses zusammen mit einem Fachmann in das Gerät schauen und gemeinsam zu entscheiden, das eine Reparatur nicht möglich ist, lässt die Kunden dann leichter mit einem guten Gefühl das Gerät verschrotten. Als nächstes kommt eine Elektrisches Keyboard an meinen Tisch. „Das Keyboard sagt keinen Ton mehr“, wird mir von einem älteren Herren erklärt. „Ich bin Radio- und TV-Techniker“, erkläre ich ihm. „Von einem Keyboard habe ich leider auch nicht viel Ahnung“! Es kommt zu einer netten Unterhaltung mit ihm und seiner Frau. Nebenbei drehen wir die vielen Schrauben an der Rückseite aus dem Gerät. Als wir die Rückwand abnehmen können, machen wir alle große Augen. Keiner von uns hat bisher das Innenleben eines Keyboards gesehen. Viele Platinen, Bauteile und die Tasten werden sichtbar. Wir beginnen mit einer ausgiebigen Sichtprüfung. Das Gerät arbeitet mit einem externen Netzteil. Das Netzteil liefert aber die nötige Spannung. Da scheint in der Elektronik ein größerer Fehler vor zu liegen. Meine beruflichen Kenntnisse helfen da leider nicht weiter. So müssen wir uns auf die gemeinsame Sichtprüfung beschränken. Nach einiger Zeit entschließen sich die Beiden das Gerät für nicht reparabel zu erklären. Immer wieder findet man Fehler durch eine einfache Sichtprüfung, leider in diesem Fall nicht. Damit sind die Möglichkeiten ausgeschöpft und die Grenzen des Repair Cafes erreicht. Die Beiden sind aber zufrieden mit dem Ergebnis. Ein Mann spricht mich an. Er hat eine alte Platine mit Bauteilen dabei. Die Platine möchte er dem Repair Cafe schenken. „Vielleicht können Sie ja noch ein Ersatzteil davon entnehmen“, sagt er. Wir haben nur begrenzte Lagerkapazitäten für Ersatzteile, aber die eine Platine nehme ich gerne an. „Ich habe davon noch einige Kartons voll Zuhause, wollen Sie die auch noch“, fragt er weiter. Ich muss aus besagtem Platzmangel ablehnen. Dann berichtet er von seiner Angst an Demenz zu erkranken. „Ich räume zuhaue auf und schmeiße vieles weg“, sagt er. „Die nach mir sollen keine Arbeit haben“! schiebt er nach. Er erscheint mir etwas frustriert und demotiviert. Er spricht von seiner Vergesslichkeit und anderen von ihm als erste Anzeichen gedeuteten Anzeichen für die beginnende Demenz. Ich berichte ihm von meinem Vater, der auch vor seinem Tod an Demenz erkrankt war. So ergibt sich ein längeres Gespräch über die Sinnfälligkeit des Lebens im Alter. Ich fühle mich in meinen psychologischen Fähigkeiten gefordert. Ich mache ihm Mut und wir lachen sogar über dies und das. Ich lade ihn ein wieder zu kommen und mit mir zusammen Geräte zu reparieren. Ich habe den Eindruck, er ging mit einem besseren Gefühl als er gekommen ist. So bin ich auch manchmal „Psychologe“ und nicht Reparateur
im Repair Cafe Bremerhaven. Die Zeit scheint dahin zu fliegen. Es ist schon fast 16 Uhr. Es ist immer noch voll in den Räumlichkeiten. Ein Kollege bittet mich eine gebrochene Platine zu löten. Durch den Bruch sind die Leiterbahnen unterbrochen. Da die Leiterbahnen so fein sind und der Kollege nicht mehr so ruhige Hände hat, bittet er mich um diese Hilfe. Unter einer Lupe löte ich die sehr feinen Bahnen wieder zusammen. Das gelingt mir mit einiger Konzentration und Luft anhalten. Die Platine wird mit Sekundenkleber fixiert. Nach einiger Zeit höre ich, wie das Radio laute Musik von sich gibt. Das Löten war also erfolgreich. Der Wartebereich ist leer. Alle Kunden sind abgearbeitet. Ich fange an meinen Tisch abzuräumen und die Stromversorgungskabel einzusammeln. An einem Tisch wird immer noch gearbeitet. Um 17 Uhr müssen wir aus der Werkstatt raus. Dann nimmt das Kaffee Findus seinen Betrieb wieder auf. Eine Kleiderbörse soll noch stattfinden. Draußen ist es schon dunkel. Ich verabschiede mich von den Kolleginnen und Kollegen und gehe raus. Mein Fahrrad steht da und scheint auf mich zu wartet. Ich öffne das Ringschloss, stecke die LED-Beleuchtung in die Halterungen, steige auf und es geht zurück nach Hause durch das dunkle Lehe. Der Nachmittag in der Werkstatt 212 war wieder toll.
Wolfgang Wegner